Oscars 2010 Nachlese
The same procedure as every year, oder doch nicht? Bei den 82. Academy Awards vom Sonntag hatte man schon ein gewisses DejaVu-Gefühl, denn nach Slumdog Millionaire im Vorjahr hatte mit The Hurt Locker wieder eine kleinere Produktion die Blockbuster mit dreistelligen Millionenbudgets in die Schranken verwiesen. Auch ansonsten waren viele Gewinne verdient, aber in manchen Kategorien doch etwas seltsam. Nach dem überproduzierten Monster des letzten Jahres haben diesmal Steve Martin und Alec Baldwin für eine bodenständige, aber sehr vergnügliche Show gesorgt, die sich ganz auf die Wurzeln der klassischen Oscar-Verleihungen besonnen hat.
Inszeniert von den beiden Filmproduzenten Bill Mechanic und Adam Shankman sowie dem Musikshow-Regisseur Hamish Hamilton war es diesmal eine durch und durch gelungene Show, bei der zwar ein paar Grundzutaten wie Live-Darbietungen der Filmscores und -Songs und ein aufwendiger Eröffnungsfilm gefehlt haben, das aber mit viel Charme und Humor wieder wett gemacht wurde.
Schon im vorletzten Jahr hatte Jon Stewart gefragt, “Does this town need a hug?” und spielte damit auf den Umstand an, daß statt Komödien immer mehr ernste Dramen nominiert wurden und dann auch meistens gewannen. Diesmal war es fast wieder so, denn gerade Kathryn Bigelows The Hurt Locker ist nicht gerade leichte Kost und auch die meisten anderen Filme sind auch nicht gerade wirklich entspannende Unterhaltung – ganz unabhängig von der filmemacherischen Qualität natürlich, denn gerade The Hurt Locker mag zwar ein unbequemer Film sein, ist aber deswegen noch lange nicht schlecht.
Im krassen Gegensatz zu den Awards von 1997, als sich James Cameron mit elf Oscars für Titanic zum King of the World machte, ging der Regisseur mit seinem 3D-Spektakel Avatar geradezu leer aus: er gewann nur drei von neun Nominierungen und die auch nur in technischen Kategorien. Seine Ex-Frau Kathryn Bigelow konnte mit The Hurt Locker dagegen von neun Nominierungen sechs einstreichen, davon die Hälfte in den Hauptkategorien Regie, Drehbuch und bester Film. Die Zeiten haben sich halt verändert, heute lassen sich die Academy-Mitglieder nicht mehr so einfach von massiven Boxoffice-Zahlen beeindrucken. Letztendlich ist Kathryn Bigelow auch die erste Frau, die einen Regieoscar gewonnen hat – obwohl dieser Faktor eigentlich gar nichts mit ihrem Film zu tun hat, aber gerne von der Presse als großer Durchbruch zitiert wird.
Kommen wir aber erst einmal zu meinen Lieblingskategorien, den Trickfilmen. Ärgerlicherweise hat Coraline gegen die Pixar-Disney-Schmonzette Up gewonnen, obwohl Henry Selicks Verfilmung von Neil Gaimans Novelle eigentlich der viel bessere Film ist. Auch bei den animierten Kurzfilmen hatte die Academy eine seltsame Wahl getroffen: während das wundervolle neue Wallace & Gromit-Abenteuer leer ausging, gewann mit Logorama ein optisch nach Flash-Grafik aussehender Film, der sein Konzept einer aus Werbeikonen bestehenden Welt deutlich überstrapaziert.
In meiner zweitliebsten Kategorie, der Filmmusik, waren die Auszeichnungen dagegen ehrlich verdient: Michael Giacchino hat nach einer erfolglosen Nominierung für Ratatouille endlich einen Oscar für seine wundervolle Score von Pixars Up gewonnen und konnte sich dabei erfolgreich unter anderem gegen die Altmeister James Horner und Hans Zimmer verteidigen. Bei den Songs, die diesmal leider nicht live vorgetragen wurden, konnten sich T-Bone Burnett und Ryan Bingham mit dem Folksong The Weary Kind aus Crazy Heart gegen eine Doppelnominierung von Randy Newman, einen Song aus Frankreich und eine andere reichlich laute Nummer durchsetzen.
Und natürlich noch ein paar Worte zu den Schauspielern: Jeff Bridges hat nach vier erfolglosen Nominierungen, von denen die erste schon 35 Jahre zurückliegt, endlich einen Oscar gewonnen – sicher wegen seiner Rolle in Crazy Heart, aber der Umstand, daß seine diesjährigen Hauptkonkurrenten George Clooney und Morgan Freeman bereits in der Vergangenheit ausgezeichnet wurden, wird wohl auch eine Rolle gespielt haben. Bei den Damen landete Sandra Bullock für The Blind Side einen Überraschungsoscar, denn sie hatte zuvor schon einen Razzie für All About Steve kassiert – so etwas passiert selten.
Bei den Nebendarstellern dürfte der Lokalpatriotismus hierzulande Amok laufen, denn gewonnen hatte ausgerechnet Christoph Walz als Über-Nazi in Quentin Tarantinos Inglorious Basterds – so einer Rolle können anscheinend die Amerikaner einfach nicht widerstehen und haben sogar den wundervollen Christopher Plummer dafür leer ausgehen lassen. Ob bei den Damen Mo’Nique für Precious ein gerechter Gewinn war, kann ich nicht wirklich beurteilen, aber vielleicht hätten es die anderen Schauspielerinnen genauso gut verdient.
Die weiteren Kategorien lasse ich ausnahmsweise einmal unkommentiert, da ich über die nominierten Filme nicht viel mitbekommen habe. Es bleibt aber zu hoffen, daß nächstes Jahr der seit 2005 anhaltende Fluch der Oscar-Verleihungen gebrochen wird und nicht wieder jede zweite ein Langweiler wird. Wie wäre es denn mal mit Jon Stewart und Stephen Colbert als nächste Gastgeber? :-)
Zum Schluß noch ein paar interessante Links:
» Alec Baldwin in der Huffington Post über seiner Erfahrung als Oscar-Host
» Die Washington Post war ausnahmsweise einmal begeistert
» Es waren die besten Einschaltquoten seit fünf Jahren