TV-Review: Madagascar

Als David Attenborugh 1961 mit einer kleinen Filmcrew für die BBC-Serie Zoo Quest auf Madagascar drehte, war er der ersten, der eine naturwissenschaftliche Dokumentation über die ungewöhnliche afrikanische Insel produzierte. Bisher war die Natur von Madagascar zwar in der Literatur hinreichend beschrieben worden, aber kaum fotografiert, geschweige denn gefilmt worden. Zoo Quest to Madagascar war weltweit eins der allerersten Fernsehprogramme, daß sich ausführlich mit der wunderbaren Insel beschäftigt hatte. Seitdem war Madagascar ein beliebtes Ziel für Naturfilmer und auch die Natural History Unit der BBC war oft dorthin zurückgekehrt. Fünfzig Jahre nach seinem ersten Madagascar-Abenteuer bekam David Attenborough aber die Chance, sich noch einmal ausführlich der Insel zu widmen.

Dieser Artikel ist ausnahmsweise keine DVD-Review, sondern eine kurze Kritik der BBC-Fernsehausstrahlung der Serie, die aber inzwischen auch als DVD und Blu-Ray erschienen ist. 

Während Attenborough 1961 nur mit einem Kameramann und einem Tonbandgerät unterm Arm unterwegs war, hatte der mittlerweile 84-jährige Naturalist diese Arbeit natürlich den professionellen Teams der Natural History Unit der BBC überlassen, das anderthalb Jahre lang auf Madagascar drehte und dabei einen noch nie zuvor dagewesenen Einblick in die einzigartige Natur der Insel ermöglichte. Produziert wurde die dreiteilige Serie in Kooperation mit dem amerikanischen Sender Animal Planet von den langjährigen Mitgliedern der naturwissenschaftlichen Abteilung, Mary Sumerill und Mike Gunton, die schon früher oft mit David Attenborough zusammengearbeitet hatten.

Obwohl Attenborough sich aus Altersgründen verständlicherweise weitgehend aus der aktiven Produktion zurückgezogen hatte und nur am Anfang und Ende der Serie persönlich auftrat, hatte er Madagascar als treibende Kraft und mit seinem typischen Kommentar dennoch seinen ganz eigenen Stempel aufgedrückt. Gleichzeitig hatte David Attenborough aber auch die Gelegenheit seiner Rückkehr nach Madagascar genutzt, um die Spuren eines alten Rätsels wieder aufzunehmen und in einer vierten Episode mehr über das gigantische Ei herauszufinden, dessen Fragmente er bei seiner ersten Expedition gefunden hatte.

Island of Marvels berichtet als Einleitung über die geologischen Hintergründe der Entstehung von Madagascar und zeigt die erstaunlichsten Eigenschaften der Insel. Natürlich stehen die Lemuren mit ihren 80 verschiedenen Arten im Vordergrund, aber die Dokumentarfilmer haben sich auch ausführlich die Pflanzen, Insekten, Chamäleons, Geckos, Vögel, Schildkröten und sogar Fische angeschaut und auch von den Fossa, den gefährlichsten Raubtieren der Insel, wurden bemerkenswerte Aufnahmen eingefangen.

Lost Worlds widmet sich speziell den östlichen Hängen vom unwirtlichem Hochland bis zu den Regenwäldern, wo sich die Hälfte aller Spezies der Insel befinden. Zahlreiche Lemurenarten, seltsame Vögel und Frösche, fleischfressenden Pflanzen und der seltenste Lemur von allen, der Sifaka, konnten in den dichten Wäldern und den hohen Bergen aufgespürt und oft zum allerersten Mal gefilmt werden.

Land of Heat and Dust zeigt den trockenen Südwesten Madagascars, wo nur die richtigen Überlebenskünstler unter den Tieren leben. Wir auf der ganzen Insel haben sich auch dort große und kleine Lemuren breit gemacht, die der Trockenheit und der stacheligen Vegetation trotzen. Geckos und Chamäleons, farbenwechselne Frösche, eine seltene Papageienart und viele andere nur auf Madagascar lebende Tiere haben die Dokumentarfilmer in der letzten Episode filmen können.

Attenborough and the Giant Egg ist David Attenborougs ganz persönlichee Madagascar-Reise, dessen Hauptgrund das titelgebende Ei war, dessen Herkunft den Naturalisten seit fünfzig Jahren beschäftigt hatte. Attenborough aber nicht nur der Legende des straußenähnlichen Elephanten-Vogels nach, sondern stattete der Insel auch selbst einen ausführlichen Besuch ab, bei der er unter anderem fast hautnah den seltenen Sifaka-Lemuren begegnete. Mit der Auswirkung der Menschen auf die Natur wird auch ein Thema angesprochen, das in den drei Folgen der Dokumentation weitgehend ausgeklammert wurde, aber der faszinierenste Aspekt von Attenborough and the Giant Egg sind die ausführlichen Ausschnitte aus Zoo Quest to Madagascar, die einen beeindruckenden, aber auch nachdenklichen Rückblick in die Vergangenheit bieten.

Man könnte der BBC eine gewisse Redundanz vorwerfen, denn Madagascar war seit David Attenboroughs erstem Besuch 1961 in vielen naturwissenschaftlichen Programmen des Senders zu sehen, aber tatsächlich hatte sich bisher noch keine Serie so ausführlich mit der faszinierenden Insel beschäftigt wie die neue BBC-Dokumentation. Drei Episoden und eine Art Special waren genau die richtige Länge für dieses Thema, das zwar auf den ersten Blick etwas Lemuren-lastig zu sein scheint, was aber angesichts der enormen Verbreitung dieser einzigartigen Tiere auch wieder gerechtfertigt war und auch andere Tierarten und sogar die Vegetation nicht vernachlässigt wurden. Produziert mit der gleichen technischen und inhaltlichen Finesse wie alle naturwissenschaftlichen Serien der BBC und mit dem ganz besonderen Charme von David Attenborough ist Madagascar eine der gelungensten Produktionen ihrer Art.

Madagascar und Attenborough and the Giant Egg waren vom 9. Februar bis zum 2. März bei BBC Two zu sehen und sind am 7. März in England als DVD und Blu-Ray erschienen, die alle vier Episoden und eine weitere, dreiviertelstündige Co-Produktion von Animal Planet und der BBC namens Lemurs of Madagascar enthalten.

Link: BBC-Webseite der Serie mit vielen Videos

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