TV-Review: Frozen Planet
Seit fast einem halben Jahrhundert sorgt die Natural History Unit der BBC für die faszinierensten naturwissenschaftlichen Dokumentationen der Fernsehgeschichte und hat mit Blue Planet und Planet Earth völlig neue Maßstäbe gesetzt. 2011 wurde die Reihe der Blockbuster-Dokumentationen mit dem lang erwarteten Frozen Planet fortgesetzt – die ersten fünf Episoden sind bereits bei BBC1 gelaufen und es wird Zeit, einen genaueren Blick auf die Serie zu werfen, die nach der Fernsehausstrahlung schon im Dezember als DVD und Blu-Ray in England erscheinen wird.
Es ist nicht das erste Mal, daß sich eine BBC-Dokumentation mit den eisigen Gebieten der Erde beschäftigt. Schon 1993 hatte David Attenborough in Life in the Freezer die Antarktik in sechs halbstündigen Episoden unter die Lupe genommen und sowohl Blue Planet und Planet Earth hatten jeweils eine ganze Folge den gefrorenen Polen der Erde gewidmet. Warum also nun noch eine ganze Serie über die Arktis und Antarktis drehen? Tatsächlich haben die vorherigen Dokumentationen das Thema nur angeschnitten und sich auf einige wenige Bereiche spezialisiert, weshalb sich die Natural History Unit nach Blue Planet und Planet Earth als großes neues Thema die Polregionen der Erde ausgesucht hatte.
David Attenborough, der 2010 mit First Life und 2011 mit Madagascar trotz seines hohen Alters von inzwischen 85 Jahren und nach über fünfzig Jahren bei der BBC immer noch aktiv dabei ist, war zwar nicht, wie die Promotion-Kampagne der Serie oft suggeriert hat, der alleinige Urheber der Serie, aber doch diesmal stärker beteiligt als bei Blue Planet und Planet Earth. Sein unverzichtbares Voiceover stammt aus seiner eigenen Feder und wie in seinen eigenen Serien tritt Attenborough auch selbst vor die Kamera – allerdings nur kurz in der ersten Episode und der siebten Folge, die sich um den Klimawandel und deren Auswirkungen auf die Pole drehen wird.
Alastair Fothergill, der Ende der neunziger Jahre den Chefsessel der Natural History Unit geräumt hatte, um sich ganz Blue Planet und Planet Earth widmen zu können, war zwar auch wieder an Frozen Planet beteiligt – aber nur noch als Executive Producer, da er inzwischen zur Hälfte auch für Disneynature arbeitet und 2011 schon den Kinofilm African Cats produziert hatte. Der wichtigere Posten des Series Producer wurde daher mit Vanessa Berlowitz neu besetzt, die 1991 in der Rechercheabteilung der Natural History Unit begonnen hatte und nicht nur 2003 mit David Attenborough bei The Life of Mammals zusammengearbeitet hatte, sondern auch schon für zwei Episoden von Planet Earth verantwortlich war.
Die befürchtete Redundanz hat sich in den ersten fünf Episoden nicht eingestellt, obwohl ein gewisser Deja-Vu-Effekt nicht zu verleugnen ist. Vieles hat man in den früheren Serien auf die eine oder andere Art schon einmal zu sehen bekommen, aber noch nie so ausführlich und aus nächster Nähe wie in Frozen Planet. Ein nicht unerheblicher Teil der Serie dreht sich natürlich um Eisbären, Pinguine und Seelöwen, aber auch bei ihnen haben die Kamerateams der BBC wieder völlig neue Aspekte entdeckt, die zuvor noch nie beobachtet werden konnten. Oft werden auch völlig überraschende Spezies wie eine langlebige Schmetterlingsraupe in den Vordergrund gerückt und auch die Unterwasser-Population wird nicht benachteiligt.
Die Strukturierung der Serie ist aufgrund des doch etwas kleineren Themenrahmens viel klarer und geradliniger als bei Blue Planet und Planet Earth. Nach der ersten einführenden Episode, die praktisch einen Querschnitt bietet, widmen sich die nächsten vier Folgen den Jahreszeiten Frühling, Sommer, Herbst und Winter und beobachten das faszinierende Verhalten der Tiere an den Polen. Dabei wird relativ wenig zwischen den einzelnen Szenerien hin- und hergesprungen und die Serie legt großen Wert darauf, eine zusammenhängende Geschichte zu erzählen, die sogar lose über die vier Kernepisoden fortgeführt wird.
Eine tierische Soap-Opera ist Frozen Planet deshalb aber noch lange nicht, obwohl manchmal eine gewisse Dramatik zu bemerken ist. Die Serie verzichtet zwar auf allzu blutige Details, aber Fressen und gefressen werden bleibt nach wie vor ein Thema, das man natürlich nicht verschweigen kann. Jagende Raubtiere aller Art sorgen auch in Frozen Planet deshalb für aufregende Szenen, die aber mit einem gebührenden Respekt gezeigt werden und trotz aller Dramatik immer den Eindruck einer völlig natürlichen und normalen Sache hinterlassen. George Fentons bombastische orchestrale Musikbegleitung tut ihr übriges dazu, ist aber auch nicht ganz so emotional wie bei den früheren Serien, aber gleichzeitig auch viel verspielter.
So beeindruckend die Aufnahmen sind, wären sie doch nur halb so interessant ohne David Attenboroughs Voiceover, das wieder vom Altmeister selbst getextet wurde und seinen eigenen Enthusiasmus und Begeisterung mitschwingen läßt. Man merkt deutlich, daß es für Attenborough keineswegs eine schnell heruntergelesene Auftragsarbeit war, sondern ein ganz persönliches Anliegen – die letzte Episode wurde von ihm sogar komplett geschrieben und präsentiert. Allerdings macht Frozen Planet mit den zehnminütigen Making-Ofs, die jeder fünfzigminütigen Episode folgen, deutlich, daß die Serie kein Alleingang des Dokumentar-Altmeisters ist, sondern der Verdienst von dutzenden engagierten Filmemachern war, die oft unter unmenschlichen Bedingungen für eine perfekte Ausnahme wochen- und sogar monatelang ausgeharrt haben.
Frozen Planet ist zwar nicht ganz so ausladend und allumfassend wie seine beiden Vorgänger, aber die größte Stärke der Serie ist die Konzentrierung auf die Arktis und Antarktis, was genug faszinierenden Stoff für sieben Episoden inklusive berechtigter Sorgen und Kritik um den Umweltschutz der Regionen bietet. Ohne Übertreibung ist Frozen Planet eine der besten Serien ihrer Art und stellt dabei die Vorgänger, insbesondere David Attenboroughs eigener Life-Zyklus, nicht in den Schatten, ist aber eine spannende, unterhaltsame und natürlich auch lehrreiche Ergänzung zu ihnen.
Die letzten zwei Episoden von Frozen Planet werden am 30. November und am 7. Dezember bei BBC1 ausgestrahlt und am 8. Dezember erscheint die Serie schon in England als DVD und Blu-Ray – zwischendurch werden gesendete Episoden aber zu unregelmäßigen Terminen wiederholt, so daß sich ein Blick in das TV-Programm der BBC lohnt.
In Deutschland ist Frozen Planet unter dem Titel Eisige Welten ab dem 18. Dezember im ZDF zu sehen, dort allerdings ohne die unersetzbare Stimme von David Attenborough und auf 45 Minuten gekürzt. Laut einer Pressemeldung vom ZDF ist der deutsche Sprecher Christian Schult (der Sohn von Rolf Schult), die Episoden werden sogar auf nur 43 Minuten gekürzt und es sind nur die ersten fünf der insgesamt sieben Folgen zu sehen. Allerdings wird die komplette, ungekürzte Serie inklusive der fehlenden zwei Episoden und englischem Ton am 30. März von Polyband als DVD und Blu-Ray in Deutschland erscheinen.
Eine DVD-Kritik wird es hier im DVDLog vorerst nicht geben, aber ich kann allen, die nicht die Chance hatten, die Serie bei der BBC-Premiere zu schauen, die britische DVD oder Blu-Ray unbedingt empfehlen.